
Heute vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Heute vor 80 Jahren wurde das Unfassbare und Unbegreifliche für alle Welt sichtbar.
Auschwitz ist ein Symbol. Ein Symbol für das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das es jemals gegeben hat. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden von den Nationalsozialisten entrechtet, erniedrigt und ermordet. Diejenigen, die überlebten, blieben ohne Familie, ohne Freunde, ohne Heimat und mit seelischen Narben zurück, die wohl nie ganz verheilen konnten.
Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ist ein Symbol für das Unvorstellbare.
Doch es gab nicht nur Auschwitz. Die Shoah geschah eben nicht weit entfernt und vor aller Augen versteckt. Die Tötungsmaschinerie der Nationalsozialisten erstreckte sich über das ganze Land. 8,5 Millionen Deutsche waren Mitglied der NSDAP, auch hier in Schöneiche. 150 Schöneicherinnen und Schöneicher wurden von den Nationalsozialisten ermordet, viele weitere zur Flucht getrieben.
Vor 80 Jahren waren die Allermeisten von uns noch gar nicht auf der Welt, in meinem Fall waren noch nicht mal meine Eltern oder Großeltern geboren.
Wir selbst waren keine Täter, und dennoch dürfen wir uns der Verantwortung nicht entziehen. Auch wir tragen Verantwortung für dieses dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte.
Denn die Shoa begann nicht in den Konzentrationslagern. Sie begann mit dem Verlust von Empathie, mit immer schärfer werdender Rhetorik, mit der Denunzierung von Nachbarn, mit brennenden Geschäften und Synagogen.
Und sie begann mit Schweigen und Wegschauen.
Dass heute wieder Jüdinnen und Juden in Deutschland und Schöneiche leben, ist nicht selbstverständlich. Die Versöhnung ist eine Gnade, die wir nicht erhoffen oder gar erwarten durften. Umso mehr müssen wir ihr gerecht werden!
„Nie wieder“ ist eben nicht nur irgendein Slogan. Es ist ein Bekenntnis und eine Verpflichtung für uns alle. Und es ist eine Mahnung, dass Demokratie und Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit sind.
Und wenn heute demokratische Parteien öffentlich eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten und Verfassungsfeinden erwägen, Denkmäler mit Hakenkreuzen beschmiert werden und 12 % der Jugendlichen angeben, noch nie vom Holocaust gehört zu haben, dann haben wir alle, jeder und jede einzelne von uns, noch eine Menge Arbeit vor uns, um diesem „Nie wieder“ wirklich gerecht zu werden.
Demokratie ist kein Kinderspiel, manchmal ist sie sogar sehr harte Arbeit. Und trotzdem dürfen wir nicht müde werden, für unsere Werte und füreinander einzustehen. Denn wo Demokratie und Anstand sterben, sterben irgendwann auch Menschen.
